Wendlands Schätze

Das Göhrde-Monster

Dr. Elke Marx-Ottmüller – aus einem Leserbrief an die EJZ, erschienen am 7. Mai 2016
(Hintergrund: Die Kommune forderte den Abriss des abgebrannten Hotels "Zur Göhrde", es sei ein Schandfleck am Tor zum Wendland. Statt dessen überraschte der "Schandfleck" die Passanten plötzlich mit einem auf dem verkohlten Dachstuhl platzierten pinkfarbenen Plüschdrachen.)

Jedes Mal, wenn ich aus Richtung Lüneburg kommend durch die Göhrde fahre, weiß ich: Hier bin ich Zuhause. Zuhause in einem besonderen Landkreis. Mit einzigartiger Natur, wunderschönen Dörfern und Kleinstädten und netten, oft besonderen Menschen. Mit vielerlei Zeichen, die ein Zeichen setzen.

Zugleich muss ich dann auch ein wenig in mich hinein schmunzeln, denn das ehemalige Hotel "Zur Göhrde" hat sich in ein Überraschungsobjekt verwandelt, und ich bin immer gespannt, wie es sich verändert. Für mich ist das nicht störend, sondern ein Teil vom Wendland, wo das Andersartige, das Alternative, Kreative und oft Provokante sein darf, weil es uns wach macht, anregt und Fragen stellt.

Aus meiner Erfahrung sucht ein nicht geringer Teil der KLP-Besucher genau dieses. Nicht umsonst sind Wunde(r)punkte, die im wahrsten Sinne anders sind und Alternativen aufzeigen, gut besucht. Sie bieten dem Besucher häufig mit kreativen Mitteln die Möglichkeit, tradierte Sichtweisen zu überdenken und vielleicht Neues zuzulassen.

Spätestens seit dieses rosa Ungeheuer aus den Ruinen der einstigen Schönheit schaut, weiß jeder, hier ist etwas anders und besonders. Hier geht es nicht um den reinen Verfall, sondern um einen kreativ provokanten Anstoß. Vielleicht steht das rosa Ungeheuer für die versteckten kleinen Ungeheuer in und um uns, von denen wir immer hoffen, sie gucken so freundlich wie dieses Exemplar?

Vielleicht stehen die vielen Türen für Vielfalt und die Möglichkeit verschiedene Wege zu wählen, oder die Sackgasse selbiger? Vielleicht ist alles einfach nur zum Wundern und Ärgern angeordnet oder als eine unkomplizierte Art der Müllentsorgung zu verstehen?
Kann das Tor zur Göhrde auch ein Tor zu diesem Anderen, Kreativen, Provokanten und Besonderen sein, das sein darf und nicht sofort abgerissen werden muss, das Fragen stellt, ohne gleich eine Antwort zu finden?

Ich glaube, könnten alle Beteiligten in diesem Sinne aufeinander zugehen, könnte aus dem Ärgernis ein kreatives Potenzial entstehen, was auch immer das inhaltlich heißen mag. Ein Potenzial, das unseren Landkreis ausmacht.

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Abendweg im Wendland

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